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Fette Fracht für frische Luft
Artikel erschienen in: "Blickpunkt Wirtschaft" 11/2016, Autor: Gerd Dressen
Münsterländer Metall-Firma liefert neun von zehn Industrie-Ventilatoren ins Ausland. Manche heben mit dem größten Flugzeug der Welt ab
Mit ruhiger Hand zieht Dennis Tissen eine perfekte Schweißnaht, verbindet die Schaufel mit der mehr als mannshohen Deckscheibe des Laufrads. Es sind Bauteile eines Ventilators. Noch ein Monat Arbeit liegt vor dem Anlagenmechaniker, bis der tonnenschwere Venti – so die Kurzbezeichnung – seine Reise zu einem fernen Land antreten wird: "Ich muss mit Geduld und Gründlichkeit arbeiten, damit das Ding am Ende ruhig und standfest läuft." Tissen gehört zu den 250 Mitarbeitern der Ventilatorenfabrik Oelde im Münsterland. Die erwirtschaftet jährlich rund 60 Millionen Euro mit kompletten lufttechnischen Anlagen sowie Industrie-Ventis.
Die Großventilatoren sind das Kerngeschäft der Firma. Fast neun von jeweils zehn dieser Erzeugnisse gehen ins Ausland. Dies zeigt, dass es durchaus möglich ist, in heimischen Gefilden erfolgreich für den Weltmarkt zu produzieren. Made in NRW hat rund um den Globus einen guten Ruf.
Das lässt sich auch an den Außenhandelszahlen des Statistischen Landesamts ablesen: So konnte die nordrhein-westfälische Wirtschaft ihre Ausfuhren im letzten Jahr erneut steigern, um 1 Prozent auf 182 Milliarden Euro. Exportschlager sind vor allem chemische Erzeugnisse, Maschinen, Metallwaren, Autos und Kfz-Teile.
Das Gros steuerte die Metall- und Elektro-Branche bei, zu der auch die Oelder Ventibauer gehören – es ist der wichtigste Industriezweig überhaupt. Bei einem Gesamtumsatz von 168,5 Milliarden Euro erzielten die landesweit mehr als 5.700 M+E-Unternehmen 84,4 Milliarden Euro im Export.
Schon am Eingang zum Firmengelände signalisiert ein riesiges Laufrad, dass die Oelder im XXL-Format produzieren. Ralf Dörner, der das Familienunternehmen gemeinsam mit Thomas Gandt leitet, nennt die Branchen, die auf seine Großventilatoren bauen: "Unsere Maschinen tun ihren Dienst in der Zement-, Stahl- und Eisen- sowie Chemie-Industrie." Allesamt Fabriken, in denen es nicht zimperlich zugeht: viel Staub, große Hitze, aggressive Gase. Was unter diesen Extrembedingungen drei Millionen Kubikmeter Luft pro Stunde an- oder absaugt, kann nicht von Pappe sein.
Weil dies so ist, kann so ein robuster "Venti" gut und gerne 50 Tonnen wiegen, bis zu fünf Meter Durchmesser haben – und bis zu 500.000 Euro kosten. Und wenn das Laufrad dann seinen Platz im Gehäuse gefunden hat, steht da ein Klotz von der Größe eines Einfamilienhauses.
Weltweit gibt es etwa zehn Unternehmen, die solche Kaliber herstellen können. Geschäftsführer Ralf Dörner selbstbewusst: "Wir sind bekannt dafür, dass wir besonders gute Qualität liefern." Das Geheimnis dafür liege auch im großen Know-how, die verschiedenen zum Einsatz kommenden Stähle optimal miteinander zu verschweißen. Dafür gibt es detaillierte Pläne, die auch für den Schweißer Dennis Tissen, den Mann am Venti-Laufrad, festlegen, wie etwa ein ganz bestimmtes Werkstück vor der Bearbeitung auf Temperatur gebracht und anschließend wieder abgekühlt werden muss. Jeder einzelne Schritt wird genau kontrolliert, auch unter Einsatz von Röntgenstrahlen oder Ultraschall.
Ist man in der Firma in Sachen Qualität äußerst entspannt, weil auf hohem Niveau unterwegs, so sieht man mit Sorge, wenn Länder mit Lieferstopps – sogenannten Embargos – belegt werden.
Dörner: "Weil wir extrem exportstark sind, haben wir eine hohe Abhängigkeit von der politischen Großwetterlage." Und da diese derzeit wenig rosig sei, sei beispielsweise das Russland-Geschäft "im Augenblick mausetot". Das mache in guten Zeiten 15 Prozent vom Umsatz aus.
Normalerweise treten die Ventilatoren vom 40 Kilometer entfernten Hafen in Hamm ihre Reise zu anderen Kontinenten an – und gelangen über den Dortmund-Ems-Kanal zu den großen Häfen Rotterdam, Hamburg oder Antwerpen. Nur manchmal, wenn es ganz schnell gehen muss, weil jeder Ausfalltag beim Kunden Millionen kosten kann, ist der schwimmende Transport zu langsam. Dann hebt so ein Riesen-Venti per Flugzeug ab. Nicht mit irgendeinem. Sondern mit der russischen Antonov An-225, dem größten Flugzeug der Welt.